Einmal Heinola und retour!
von Sandra Abid

Das Abenteuer Heinola startete mit dem Sieg bei der Karaoke Staatsmeisterschaft am 9.Juli 2005. Von da an war die Zeit kurz und aufregend, denn schnell sollten wir, die Gewinner Sandra Abid und Oliver Wirth, bekannt geben, welche Songs wir bei der Karaoke Weltmeisterschaft in Finnland zum Besten geben würden. Nachdem diese wirklich große Hürde – denn: welche Songs sollte man auswählen, welche Titel würden der Jury zusagen - gemeistert war, ging’s auf nach Finnland. Für Oliver war es der erste Flug überhaupt, dementsprechend aufgeregt war er. Also noch 2,5 Stunden bis ins Land der Elche! 

In Helsinki angekommen, fanden wir gleich unseren Bus, doch als wir die Verbindung nochmals nachprüfen wollten, stießen wir schon auf die ersten Kommunikationsprobleme. Der Busfahrer war dem Englischen nicht mächtig und so verließen wir uns auf unser Glück ...  nicht ganz ohne Zweifel. 

 

Vollkommen aus dem Konzept brachte uns dann die Busstation an der wir umsteigen sollten: Irgendwo im Nowhere zwischen Helsinki und Heinola hielt der Bus auf der Autobahn (!) wo wir umsteigen sollten...... Glücklicherweise kann man sich auf die Busse in Finnland verlassen und so erreichten wir nach insgesamt 2,5 Stunden Heinola. Dort angekommen wurden wir gleich freundlich in Empfang genommen und hatten überhaupt keine Anpassungsprobleme. Am ersten Abend fand im Karaoke – Headquarter ein Empfangscocktail für alle Teilnehmer und Jurymitglieder statt.  Und da die World-Karaoke-Meister ja kein scheues Volk sind, schloss man gleich Bekanntschaften und zog los ins nächste Pub. Mike, Herman und Tim aus Amerika, Johanna aus Deutschland, Oliver und ich. 

 

Heinola ist ein nettes kleines Städtchen, nördlich von Helsinki. Und Heinola steht - zumindest während der Weltmeisterschaft - GANZ im Zeichen von Karaoke. Überall wo wir hinkamen, waren wir willkommen, die Menschen unheimlich freundlich und hilfsbereit. Es gibt zwei Pubs und eine Disko - und ratet mal: überall wird Karaoke angeboten! Einziger Wehrmutstropfen: es wird sehr viel auf finnisch gesungen und Finnisch ist nicht gerade die aufregendste Sprache :) Unfassbar, wie lang manche Wörter oder Namen sind .....

Am nächsten Morgen stand gleich eine Generalprobe am Plan, an der wir natürlich teilnahmen, denn so konnten wir uns ein erstes Bild von der Konkurrenz machen.

Alle Achtung, einige Teilnehmer haben wirklich tolle Stimmen! Während Oliver und ich auf unseren Auftritt warteten, hatte ich noch einen lebens- und nervenrettenden Turboboost im Petto und kramte good old Milka Schoko aus meiner Tasche.

 

Bis zum ersten Auftritt war gar nicht mehr soviel Zeit. Der Tag verging schnell und um 18 Uhr begann das Programm. Ich war Nr. 16, Oliver hatte mit seinem ersten Auftritt Glück, er kam erst als 57. dran. Nachdem es sich um ein Openair Auditorium handelt, sind mit „Glück“ in diesem Fall die Lichtverhältnisse gemeint, denn die Nacht war nur 3 Stunden kurz. So ging die Sonne erst gegen 23 Uhr unter, während der Sonnenaufgang schon wieder um 2 Uhr morgens zu sehen war. Dennoch, obwohl bei meinem Song "If I could turn back time" noch die Sonne schien, fühlte ich mich sehr wohl auf der Bühne. Die Zuschauerränge waren dünn besetzt, aber meine Eltern waren mit der österreichischen Fahne winkend dort, und unsere neuen portugiesischen Freunde unterstützten mich ebenfalls tat- und stimmkräftig. Es kommt selten vor, doch ich war mit meinem Auftritt war sehr zufrieden und hatte ein gutes Gefühl auf der Bühne. Auch mein Outfit versuchte ich an den Song anzupassen. 

Als Oli dran kam, war es endlich dunkel und sein "Cara Mia" ging allen ans Herz. Er war so nervös, doch hat den Song bravourös gebracht!

 

 

 

 

 

Die Qualität vieler Darbietungen war wirklich gut. Allen voran der Finne Ari Koivunen, 21, der sich am Abend vor dem ersten Auftritt beide Beine brach und eindrucksvoll auf Krücken auftrat. Aber das hielt ihn bei seiner Meganummer "Bohemian Rhapsody" nicht ab, „over the limit“ zu gehen. Irgendwann schmiss er die Krücken weg, hob sein Bein auf den Monitor, riss sich das Tuch vom Kopf und headbangte was das Zeug hielt. Wow, was für ein Auftritt....                                                           

Danach hatten wir uns ein erstes Feiern wirklich verdient. Aufgrund der kurzen Nacht waren wir auch nicht müde - anfangs zumindest. Wenn man ständig von Musik und singenden Menschen umgeben ist, hat man im Endeffekt nur mehr Musik im Kopf. Und das wiederum kann leicht zu einer Geißel werden, den uns plagten ständig irgendwelche „Ohrwürmer“. Sei es Oli’s „Cara Mia“ oder mein „Big Spender“. Hatten wir endlich einen Song aus dem Gedächtnis, folgte der nächste und zu guter Letzt kehrte der erste wieder zurück......


Am Freitag war dann der entscheidende Tag: Würden wir uns für die Finalrunde qualifizieren oder nicht? Diesmal war es umgekehrt, Oli Nr. 8, ich kam erst als Nr. 45 dran. Oliver's "Unchained Melodie" war wieder ein Hit. Er sang mit Herz und Gefühl und war in jedem Fall besser als die Version eines finnischen Teilnehmers. Ich durfte diesmal in der Dunkelheit auftreten und betrat die Bühne mit meinem "Cry me a river" durch einen Nebelvorhang. Sehr effektvoll, eben genauso wie ich das wollte!

 

Dann begann das lange Warten auf die Entscheidung. Uche, ein Juror, mit dem wir schon die gesamte Zeit viel Spaß hatten und unterwegs waren, beruhigte uns und meinte, dass wir uns aufgrund unserer tollen Performances auf jeden Fall qualifizieren würden. Endlich wurden die Namen aufgerufen – viele Namen, doch leider nicht unsere..... wir stiegen also nicht in die Finalrunden auf!

Man kann nun sagen, dass die Bewertung unkorrekt ablief, oder dass wir vielleicht die falschen Songs ausgesucht hatten. Wie auch immer, wir konnten die Entscheidung trotz unserer großen Enttäuschen ohnehin nicht ändern. Im Laufe der weiteren 2 Tage haben wir dann verschiedene Gerüchte gehört und in Summe ist zu sagen, dass wir keinen Einfluss auf das Ergebnis hatten. Zugegeben, der Schock saß tief, denn es wurden Personen in die nächste Runde gehievt, die es wirklich nicht verdient hätten. Umso herzlicher und tröstender waren dann die Reaktionen manch anderer Sänger (danke Portugal, danke Deutschland, danke Littauen), die sich zum Teil selbst qualifiziert hatten und die empört waren, dass wir nicht weiter gekommen sind.

Aber - „the show must go on“ - und nachdem wir nun nicht mehr im Rennen waren, unterstützten wir unsere Favoriten dementsprechend. So verbündete ich mich mit den Portugiesen, Amerikanern und der Neuseeländerin (die ganz alleine, nur mit ihrem Mann vom anderen Ende der Welt nach Finnland kam) und schrie, jubelte und tanzte bis zum Umfallen. 

Was für eine Stimmung am Samstag, bei den Finalrunden! Männlein wie Weiblein sangen sich in die Herzen der Zuseher, Ansprachen wurden gehalten (manche allerdings zu lange), Stunts wurden hingelegt und man konnte zweifellos erkennen, dass hier der eine oder andere Star geboren wurde. 

Die Siegerehrung lief leider ein wenig trocken ab, auch konnten wir alle manche Jury-Entscheidungen nicht nachvollziehen, doch ich freute mich mit Bel und Paolo aus Portugal über deren 3. und 5. Platz; ärgerte mich, dass der junge Finne mit den gebrochenen Beinen nur 3. wurde und gratulierte Tim, dem Amerikaner zu seinem 4. Platz.

Nach Ende der Veranstaltung gingen wir gegen 3 Uhr morgens noch ein letztes Mal in ein Karaoke-Lokal und als dort eine halbe Stunde später die Musik abgedreht wurde, halfen Sami, der Finne und ich „a capella“ aus ... Sänger brauchen in Wahrheit doch kein Mikrophon ...

 

 

Wenn ich vorhin eine gewisse Unfairness angesprochen habe, so ist diese in jedem Fall auf die Thailändische Teilnehmerin zu beziehen, die wirklich versch. Regeln gebrochen hat, ohne belangt zu werden. Wir haben auch nie unseren Gesamtpunktestand erfahren und wissen daher nicht, auf welchen Plätzen wir gelandet sind. Auch ist die Zusammensetzung der Jury zu bekritteln. Trotzdem war die gesamte Veranstaltung ein unvergessliches Erlebnis und wir konnten in diesen vier Tagen  viele, viele neue Bekanntschaften schließen. Ob mit Herman, dem amerikanischen Richter, der im Teufelskostüm auftrat. Oder Omar, dem irakischen Flüchtling, der Eminem für sein Land performte – besser als es Eminem je könnte. Oder Howard, der australischen Journalist, der für den "New Yorker" eine Kurzgeschichte über Karaoke schreibt, und dem wir alle als Vorlagen für seine Geschichte dienten. Dieses Abenteuer Heinola, das anfangs wie ein Teenager-Sommercamp startete, entpuppte sich als Meilenstein unserer Gesangskarrieren und wird sicher für immer in unserer Erinnerung bleiben. 

 



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